geb. Heinrich Wilhelm August Freiherr von Gagern
20. August 1799–22. Mai 1880
Verwaltungsbeamter, liberaler hessischer Politiker und Präsident der Frankfurter Nationalversammlung 1848
Gemälde von Eduard von Heuss
Unter anderem als Präsident der Frankfurter Nationalversammlung setzte sich Heinrich von Gagern für eine deutsche Einigung und Verfassung ein. Am 20. August 1799 wurde Gagern in eine wohlhabende adlige Familie geboren. Als Sohn des adligen Diplomaten und Politikers Hans Christoph Ernst Freiherr von Gagern kam er früh in Kontakt mit liberalem Gedankengut, schlug jedoch zunächst eine militärische Laufbahn ein. Nach seinem Abitur besuchte Gagern die Kadettenschule in München – wobei er die Bildung, die er hier genoss, später als nicht ausreichend bezeichnete. Besonders prägend in dieser Zeit war jedoch seine Teilnahme an den Befreiungskriegen, in denen sich deutsche Truppen gemeinsam gegen Napoleon stellten: 15-jährig zog Gagern als Unterleutnant 1815 in den Krieg gegen Napoleon Bonaparte und kämpfte in der entscheidenden Schlacht bei Waterloo.
Nach dem Sieg über die französischen Truppen und Napoleon beendete Gagern seine Militärlaufbahn und nahm ein Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, Göttingen und Jena auf. Seine politische Überzeugung festigte sich hier: Nach seinen Erfahrungen in den Befreiungskriegen und als Mitglied der Urburschenschaft, die für einen Zusammenschluss der gesamten Studentenschaft in einer einheitlichen Organisation eintrat, vertrat er zunehmend nationale, liberale und freiheitliche Ideen. Während eines Studienjahres in Genf kam er darüber hinaus in der Schweiz auch mit demokratischen Herrschaftselementen in Kontakt.
Nach Ablegen der zweiten Staatsprüfung 1821 trat Gagern eine Beamtenkarriere im Großherzogtum Hessen an, wobei er bis 1829 zum Regierungsrat befördert wurde. Auch engagierte er sich weiter politisch und wurde 1832 zum Abgeordneten in die zweite Kammer des Landtags von Hessen-Darmstadt gewählt, in dem er Vertreter der bürgerlich-liberalen Fraktion wurde. Nach mehrmaliger Auflösung des Landtags aufgrund von Konflikten mit dem Großherzog Ludwig II. schied Gagern nicht nur aus dem Staatsdienst aus, sondern zog sich zunächst auch aus der aktiven Politik zurück. Erst 1847 wurde Gagern erneut in den Landtag gewählt und verfolgte schnell eine klare Oppositionspolitik. Auf die Meldungen von der Februarrevolution ab dem 21. Februar 1848 in Paris folgte in Deutschland die Märzrevolution. In deren Verlauf trat am 18. Mai die Frankfurter Nationalversammlung zusammen. Gagern wurde Präsident dieser Versammlung. In dieser Funktion setzte er sich vehement für ein Nationalparlament, ein geeintes Deutschland unter preußischer Führung und eine gemeinsame Verfassung ein. Nach dem Scheitern der Revolution und den damit verbundenen Einigungsbestrebungen zog er sich aus der aktiven Politik größtenteils zurück, übernahm die Hessische Gesandtschaft in Wien und war zwischen 1866 und 1872 nochmals Mitglied des Hessischen Landtags. Am 22. Mai 1880 verstarb Heinrich von Gagern in Darmstadt.
Trotz des Scheiterns der Revolution von 1848 und der damit einhergehenden Auflösung der Frankfurter Nationalversammlung gilt Gagern bis heute als Kämpfer für ein geeintes Deutschland und die in der Nationalversammlung verabschiedeten Grund- und Freiheitsrechte.
Die Märzrevolution 1848
Die Märzrevolution 1848 in Deutschland lässt sich in eine Epoche des Wandels in Europa einordnen. Neben den deutschen Staaten, die zwar schon im losen „deutschen Bund“ zusammengefasst waren, aber noch keinen Nationalstaat bildeten, gab es auch in Frankreich, Italien, Österreich, dem Osmanischen Reich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und in skandinavischen Staaten verschiedene Reformbewegungen. Ausschlaggebend für die Märzrevolution in Deutschland war wohl die Februarrevolution in Frankreich. Nach einer politischen und wirtschaftlich schwierigen Zeit musste der französische König am 24. Februar 1848 abdanken.
Von Frankreich inspiriert gingen die ersten Proteste in den deutschen Staaten im Südwesten los. Am 27. Februar 1848 kam es in Mannheim zu einer Volksversammlung, die „Märzforderungen“ stellte. Hierbei handelte es sich um Forderungen nach liberalen und demokratischen Rechten wie: Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit, allgemeine Volksbewaffnung, unabhängige Justiz, politische Gleichberechtigung aller Staatsbürger, einen Verfassungseid des Heeres und der Einberufung einer Nationalversammlung.
Diese Forderungen, die vor allem vom liberalen Bürgertum ausgingen, gelangten von Mannheim schnell in den Rest des Bundes. Unzufrieden waren zudem auch Handwerker und Bauern, die eine Lösung für soziale und ökonomische Probleme forderten. Als Reaktion auf den hohen Druck, dem sich die Oberhäupter der Staaten ausgesetzt sahen, wurden Versprechen und Zugeständnisse gemacht. Außerdem gab es auch Forderungen von Frauen, die nach französischen Vorbild auch die Mündigkeit der Frau und bessere Bildungsmöglichkeiten forderten.
Auch in Mainz und Rheinhessen gab es Aufstände und Proteste. Schon 1846 und 1847 gab es Teuerungskrisen und die sogenannte „Brotunruhe“, da es zu Ernteausfällen und harten Wintern kam. Im Frühjahr 1848 kam es in verschiedenen Städten zu Volksversammlungen, in denen auch die Märzforderungen formuliert wurden. Die Proteste in Mainz gingen schließlich wie im Rest Deutschlands teilweise in Gewalttaten über. So starben bei Straßenkämpfen am 21. Mai 1848 zwischen der Mainzer Bürgerwehr und in Mainz stationierten preußischen Truppen vier Soldaten auf preußischer Seite. Auf der Seite der Bürgerwehr gab es nur einige Verletzte. Auch in Berlin gab es neben friedlichen Protesten auch blutigen Auseinandersetzungen. So starben am 18. März 1848 bei Barrikadenkämpfen ca. 250 Menschen.
Schließlich wurden viele „Märzministerien“ gegründet, welche die Probleme lösen sollten. Zudem tagte am 18. Mai 1848 zum ersten Mal eine frei gewählte Volksvertretung in der Frankfurter Paulskirche. Dieser Nationalversammlung wohnten etwa 600 Mitglieder bei, welche jedoch noch nicht wie heute in Parteien organisiert waren, was die Arbeit innerhalb der Fraktionen erschwerte. Das heutige Rheinland-Pfalz war in 26 Bezirke aufgeteilt, die jeweils einen Vertreter nach Frankfurt schickten. Präsident dieser Nationalversammlung war Heinrich von Gagern, der sich für eine Verfassung und ein geeinten deutschen Staat unter der Führung Preußens einsetze. Im Dezember 1848 wurde ein Grundrechtskatalog ausgearbeitet, der Freiheiten und Rechte für alle Bürger garantierte. Die Grundrechte wurden am 27. März 1849 als „Verfassung des deutschen Reichs“ verabschiedet. Dieses Reich sollte ein „kleindeutscher Nationalstaat“ sein. Somit nicht, wie es die Unterstützer einer „großdeutschen Lösung“ forderten, noch den deutschen Teil Österreichs beinhalten.
Am 28. März 1849 wurde der preußische König Friedrich Wilhelm IV. knapp zum Kaiser gewählt, lehnte jedoch die Würde ab, da er so die Revolution noch aufhalten wollte. Zudem erkannten Bayern, Hannover, Preußen, Österreich, Sachsen und weitere Staaten die neue Verfassung nicht an. Letztlich mussten sich die Revolutionäre trotz gewaltsamer Versuche die Verfassung durchzusetzen, geschlagen geben. Somit gilt die Revolution als gescheitert.
Literaturhinweise:
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