Von Janika Schiffel
Am 8. Juli 2021 konnte mit dem Titel „Wir waren zunächst mal froh, dass wir noch lebten.“ Die Erinnerungen Walter Grünfelds an seine Kindheit und Jugend in Mainz der erste Band unserer Schriftenreihe „Erinnerungskultur und Demokratie“ vorgestellt werden. Nach knapp acht Monaten war die Buchvorstellung die erste Präsenzveranstaltung des „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“. Knapp 90 Personen kamen in den Mainzer Kammerspielen zusammen, um einen Einblick in die Erinnerungen Walter Grünfelds zu erhalten – unter ihnen auch seine Tochter Waltraud Werner, Vorsitzende des „Förderverein Projekt Osthofen e.V.“.
Die Erinnerungen Walter Grünfelds reichen von seiner Kindheit und Jugend nach dem Ersten Weltkrieg, über die Zeit der Weimarer Republik und der NS-Diktatur bis zur unmittelbaren Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie vermitteln exemplarische Einblicke in die Lebenssituation jüdischer Menschen, die sich mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur immer weiter verschlechterten – bis hin zum Verlust vieler Familienmitglieder und ganzer Freundeskreise in der Shoah.
Hans Berkessel, Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz“ und Mitherausgeber der Erinnerungen Walter Grünfelds, konnte aus gesundheitlichen Gründen leider nicht an der Buchvorstellung teilnehmen. In seiner Begrüßung, die durch Dr. Cornelia Dold vorgetragen wurde, hob er die Besonderheiten dieser Publikation hervor: „Mit den Erinnerungen Walter Grünfelds an seine Kindheit und Jugend in Mainz möchten wir Ihnen heute ein in mehrerlei Hinsicht besonderes Buch vorstellen. In einer historischen Epoche, in der uns immer weniger Zeitzeugen für den so wichtigen und eigentlich unersetzlichen direkten Austausch zur Verfügung stehen, stellen niedergeschriebene Erinnerungen wie auch andere biografische Quellen eine Chance dar, die authentische Innensicht der vom Terror in der NS-Diktatur unmittelbar Betroffenen kennenzulernen und so mehr, als das jede historische Darstellung vermag, Empathie mit den Opfern zu vermitteln. Durch die Nennung und Darstellung der Geschicke von Freunden und Bekannten werden die Grünfeld-Erinnerungen zugleich zu einem Gedenkbuch und Mahnmal unserer Erinnerungskultur. Die Erinnerungen Walter Grünfelds sind aber auch deshalb ein besonderes Buch, weil es dem Verfasser mit dem Abstand des dann älteren Mannes und den damit verbundenen Reflexionen gelungen ist, zugleich ein Stück regionaler Geschichte spannend zu erzählen. […] Und schließlich macht unsere Edition mit ihren vielfältigen und teils umfangreichen Kommentaren und Sacherläuterungen die Erinnerungen zu einem historischen Lesebuch, mit dem wir insbesondere auch junge Menschen erreichen wollen, […].“
In Ihrem Grußwort würdigte die Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Stefanie Hubig, die Erinnerungen Walter Grünfelds. Diese böten nicht nur einen authentischen Einblick in jüdisches Leben in Mainz unter der NS-Diktatur. Durch die zahlreichen Kommentierungen, historischen Fotografien und zeithistorischen Ergänzungen könne der Titel insbesondere Schüler*innen einen Zugang zu dieser Zeit eröffnen. Frau Dr. Hubig betonte: „Wir müssen jedem Versuch, jüdisches Leben in unserem Land zu gefährden, entschieden und solidarisch entgegentreten. Dabei kann dieses Buch helfen, weil es Bewusstsein schafft.“
Martin Steinmetz, Projektleiter Mahnen & Gedenken der Landeshauptstadt Mainz, hob in Vertretung von Kulturdezernentin Marianne Grosse die blühende jüdische Kultur der Landeshauptstadt Mainz hervor – eine Kultur, der die Nationalsozialisten ein furchtbares Ende setzten. Die Erinnerungen Walter Grünfelds böten die seltene Gelegenheit, das jüdische Kulturleben in Mainz in den 1920er Jahren Leser*innen näherzubringen. Zugleich ermöglichten sie einen exemplarischen Einblick in die anschließende Verfolgung.
Silke Schneider, Geschäftsführerin des Wochenschau Verlags, bekräftigte, dass der vorliegende Band eine besondere Ergänzung des Verlagsangebots sei. Gerade in der heutigen Zeit sei es unabdingbar, Leser*innen den Zugang zu wichtigen Zeugnissen wie dem Walter Grünfelds zu eröffnen. Mit der Veröffentlichung der Erinnerungen und anderer Titel, die den Opfern der NS-Diktatur eine Stimme geben, wolle der Wochenschau Verlag seinen gesellschaftlichen Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur leisten.
Besonders berührend war das Grußwort der Vorsitzenden des „Förderverein Projekt Osthofen e.V.“, Waltraud Werner. Die Tochter Walter Grünfelds erinnerte sich an ihren Vater und gab den Zuhörenden einen Eindruck des Mannes hinter den Erinnerungen. Ihr sei es ein wichtiges Anliegen, Leser*innen mit der Veröffentlichung einen Zugang zu der Zeit des Nationalsozialismus zu eröffnen und sei dankbar, dass den Verfolgten und Opfern so ein schriftliches Denkmal gesetzt werden könne. Auch fragte sie sich, wie ihrem Vater wohl die Veröffentlichung seiner Erinnerungen gefallen hätte und war sich sicher, dass ihn das entstandene Buch mit seinen umfangreichen Kommentaren und Sacherläuterungen tief beeindruckt hätte.
Eingebettet wurden diese Grußworte in eine historische Einführung durch die Leiterin des „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz“, Dr. Cornelia Dold und den Historiker und Projektmitarbeiter im Haus des Erinnerns, Henrik Drechsler. Sie gaben bewegende Einblicke in die Erinnerungen Walter Grünfelds und die historischen Hintergründe, wobei sie einzelne Passagen aus den Erinnerungen vorlasen.
Im Ausklang der Veranstaltung war spürbar, wie ergriffen die Anwesenden von der Buchvorstellung waren, und wie sehr sie sich freuten, nach so langer pandemiebedingter Pause zusammenkommen zu können. Herzlich bedanken wir uns bei allen Anwesenden und Vortragenden für den gelungenen Abend. Unser besonderer Dank gilt der Tochter Walter Grünfelds, Waltraud Werner.
Der Titel kann ab sofort über den Wochenschau Verlag hier bestellt werden.
Berkessel, Hans/ Dold, Cornelia (Hrsg.): „Wir waren zunächst mal froh, dass wir noch lebten.“ Die Erinnerungen Walter Grünfelds an seine Kindheit und Jugend in Mainz
Herausgegeben von der Stiftung „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz“ in Kooperation mit dem „Förderverein Projekt Osthofen e. V.“ sowie dem „Verein für Sozialgeschichte Mainz e. V.“.
ISBN 978-3-7344-1305-6
160 S., 14,90 €
Auch als E-Book erhältlich