Singleview: Haus des Erinnerns (Nachberichte)
Von Jasmin Gröninger
15. Januar 2019: Für rund zweieinhalb Stunden wurde es trotz zahlreicher Besucherinnen und Besucher still in den Räumen des Hauses des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz (HdE) in der Flachsmarkstraße 36. Sie alle folgten den Schilderungen von Zvi Cohen, der 1931 in Berlin geboren wurde und mit seiner Familie die Zeit des nationalsozialistischen Deutschlands sowie das Ghetto Theresienstadt überlebte. Auf Einladung des 1 FC. Ente Bagdad, des Fanprojektes Mainz, des Bündnissses „Nie wieder“ von Mainz 05 und des Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz kam der heute in Tel Aviv lebende Zvi Cohen nach Mainz. In einem Dialog mit Hans Berkessel (Vorsitzender der Stiftung Haus des Erinnerns …) begann Zvi Cohen seine Geschichte zu erzählen:
Bereits bei seiner Einschulung 1937 bekam Cohen zu spüren, dass er „kein normales deutsches Kind“ sein durfte. Zahlreiche anti-jüdische Gesetze grenzten ihn aus: Ins Kino durfte er nicht gehen, nicht ins Schwimmbad oder Theater, Haustiere durfte er nicht besitzen und auch die Musikinstrumente wurden der Familie abgenommen. Nur seine Mundharmonika durfte er behalten. Bis 1943 wurde das alltägliche Leben der Familie immer stärker eingeschränkt und sie ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Gleichzeitig nahmen die Demütigungen und gewalttätigen Aggressionen zu, bis sie psychisch überhaupt nicht mehr imstande waren sich zu wehren, erinnert sich Cohen. Als Kind sei er vor den Augen seines Vaters von Mitgliedern der Hitlerjugend verprügelt worden, ohne dass dieser ihm helfen konnte, denn die Hand gegen Uniformierte zu heben, wäre lebensgefährlich gewesen. Aus Angst vor weiteren Peinigungen entschied er sich, ab 1941 die Wohnung nicht mehr zu verlassen. Da die Eltern in Schichten arbeiteten, war Zwi Cohen die nächsten zwei Jahre fast vollkommen allein. In dieser Zeit begann er Volkslieder auf der Mundharmonika zu üben, was ihm mehrfach das Leben rettete: Durch seine musikalischen Fähigkeiten stimmte er nicht nur die Männer der Staatssicherheit bei der Deportation der Familie milde, so dass sie ihn auf die Rückkehr seiner Eltern warten ließen und somit nicht getrennt deportierten. Im Ghetto Theresienstadt verdiente er sich zudem als Straßenmusikant Brotkrumen und wurde Teil des Kinderorchesters, das die Kinderoper „Brundibar“ aufführte. Während Cohens Großeltern das Ghetto nicht überlebten, konnte die restliche Familie gerettet und – während die Lager geräumt und die Häftlinge in der Regel auf Todesmärschen in den sicheren Tod gingen – durch einen glücklichen Zufall mit einem Personenzug in die Schweiz gebracht werden. Besonders die durch Lampen hellerleuchteten Städte beindruckten ihn, erzählte Zvi Cohen. Schließlich wanderte die Familie nach Palästina aus und lebte in einem Kibbuz. Dort wurde 1946 Zvi Cohens Bruder Abi geboren, der ihn bei jedem Besuch in Deutschland begleitet und den er als „Wunschbruder“ vorstellte. Dass er die Mundharmonika noch immer beherrscht, durften seine Zuhörer am Montag live und tief beeindruckt miterleben.