Interview zu zentralem Mahnmal in Mainz

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Mainz: Finanzierung ungeklärt – Kein zentrales Mahnmal für Opfer der NS-Zeit

Mainz

Finanzierung unklar  

Kein zentrales Mahnmal für Opfer der NS-Zeit in Mainz

Von Janek Kronsteiner

10.05.2021, 12:00 Uhr

Die Fassade der Kaiserstraße 31 in Mainz: Am ehemaligen Gestapo-Büro hängt eine Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus. (Quelle: Janek Kronsteiner)

In Mainz gibt es nur ein einziges kleines Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Für eine zentrale Gedenkstätte fehlt das Geld.

Am 8. Mai jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 76. Mal. Wer an die Opfer der NS-Zeit erinnern will, findet in Mainz kein zentrales Mahnmal. Das Haus des Erinnerns ist noch immer geschlossen.

„Zum Gedenken an die Opfer des Naziregimes 1933 – 1945“ steht auf einer Bronzetafel am Gebäude der Kaiserstraße 31, dem ehemaligen Gestapo-Büro in Mainz, direkt neben einem Briefkasten. Unter den Lettern blicken drei eingefallene Gesichter Richtung Bürgersteig und einer Reihe parkender Autos. Die unscheinbare Tafel ist das einzige Mahnmal, das für die Opfer des Nationalsozialismus im öffentlichen Raum in Mainz besucht werden kann.

Natürlich schlummern im Beton vieler Bürgersteige Stolpersteine, einige Kriegsdenkmäler werden heute umgedeutet, sollen nun auch der Opfer der NS-Zeit gedenken. Ein großes Mahnmal gibt es im öffentlichen Raum in Mainz für sie aber nicht.

„Raum der Namen“ weiterhin geschlossen

Der zentrale Ort für das Gedenken ist das Haus des Erinnerns an der Ecke zwischen der Großen Bleiche und der Flachsmarktstraße. Darin ist der Raum der Namen, in dem deportierter Sinti, jüdischer Mainzerinnen und Mainzer sowie Opfer der Euthanasie-Verbrechen gedacht werden kann. Die Türen zu diesem Raum bleiben wegen der Corona-Pandemie jedoch geschlossen.

Die Leiterin vom Haus des Erinnerns Cornelia Dold organisierte am 8. Mai einen Online-Workshop. 30 Personen schauten gemeinsam ein Zeitzeugeninterview und konnten darüber diskutieren. „Das Bedürfnis an diesem Tag zu gedenken war größer als erwartet“, so Geschichtspädagogin Dold. „Wir hatten so viele Anfragen, dass wir den Workshop ein Wochenende später noch mal anbieten.“

Cornelia Dold: Die Leiterin des Haus des Erinnerns findet es schwierig, einen authentischen Ort für ein zentrales Mahnmal zu finden. (Quelle: Haus des Erinnerns Mainz)

Debatte über die Erinnerungskultur in Mainz

Ein Hinweis darauf, dass es zu wenig Gedenken im öffentlichen Raum in Mainz gibt? Eine Debatte dazu köchelte schon seit Anfang des Jahres. In der Nacht vor dem 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, beschmutzten Unbekannte das Kriegerdenkmal in Gonsenheim mit pinker Farbe. Später bekannte sich die Antifa zu der Farbattacke. Auf einer linksextremistischen Plattform, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, behaupten die anonymen Autoren, sie wollten auf das „Missverhältnis des Gedenkens an Täter und Opfer“ aufmerksam machen. Dies hat zu Debatten auf Social Media über die Mainzer Erinnerungskultur geführt.

Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bezeichnet das Thema „Mahnen und Gedenken“ als Schwerpunkt ihrer Stadtpolitik. „Wir können die Arbeit gar nicht hoch genug einschätzen und dürfen in unserem Mahnen niemals nachlassen“, sagte Grosse. Die Stadt Mainz wolle Erinnerungsorte über die ganze Stadt verteilen. Der wichtigste Ort neben dem Haus des Erinnerns sei das geplante Mahnmal Deportationsrampe.

Deportations-Mahnmal noch immer unsicher

Dieser Gedenkort soll auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs an der Kreuzung Goethestraße und Mombacher Straße entstehen. Dafür hatte die Stadt einen Wettbewerb ausgeschrieben. Ein Architekturbüro aus Dresden hatte gemeinsam mit dem Bildhauer Andreas Theurer den Siegerentwurf entwickelt: Gleise, die in einem Spiegel enden. Parallel dazu eine Mauer mit den Namen der Deportierten.

Ein schwieriger Standort, findet Cornelia Dold vom Haus des Erinnerns. „Es ist einfach nicht klar, wo der historische Ort der Deportationen war.“ Das Mahnmal kann also nur in der Nähe des historischen Ortes errichtet werden. Außerdem ist die Kreuzung weit weg von der Innenstadt, die Mombacher Straße laut und voller Autos. „Das ist sicher kein Ort, an dem viele Mainzerinnen und Mainzer und Reisende vorbeilaufen.“ Einzig der alte jüdische Friedhof, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bindet den Ort an die Mainzer Stadtgeschichte.

Spendenaufruf bringt nicht genug Geld ein

Der jüdische Friedhof ist einer der ältesten in Europa. Er weist auf die jüdische Kultur hin, die Mainz, zusammen mit Speyer und Worms, bei der Unesco als Welterbe schützen will. Im Sommer soll die Unesco entscheiden, ob die jüdischen Zentren (SchUM genannt) als Weltkulturerbe anerkannt werden sollen. Dadurch könnte der alte jüdische Friedhof mehr in den Fokus von Besucherinnen und Besuchern rücken und so auch der Standort für das Mahnmal Deportationsrampe, meint Dold.

Doch für das Mahnmal mangelt es bisher an Geld. Ein Spendenaufruf der Stadt hatte nicht den gewünschten Betrag von 300.000 Euro eingebracht. Laut einem Sprecher der Stadt wird die „Finanzierung derzeit geklärt“. Die Stadt strebt eine Fertigstellung des Mahnmals in den nächsten zwei bis drei Jahren an.

Gedenken in Mainz: Dezentral und digital

Ein zentrales Mahnmal in der Mainzer Innenstadt zu errichten, wäre schwierig, sagt die Leiterin vom Haus des Erinnerns, Cornelia Dold. „Dafür gibt es einfach keinen authentischen Ort in der Stadt.“ Und weiter: „Deswegen haben wir ja das Haus des Erinnerns als nicht-authentischen Ort für das Gedenken eingerichtet.“ Dennoch gebe es noch einige blinde Flecken in der Stadt, findet Dold: „Wir könnten zum Beispiel an der ehemaligen Gestapo-Zentrale in der Kaiserstraße 31 noch mehr Text anbieten. Oder die sogenannten Judenhäuser als solche erkennbar machen.“ In „Judenhäusern“ wurden jüdische Bürgerinnen und Bürger ab 1939 unter Zwang einquartiert, bevor sie deportiert wurden.

Damit das Erinnern auch in Pandemiezeiten möglich ist, denkt Dold eher an ein digitales Erinnern. Gerade entwickelt das Haus des Erinnerns eine App zusammen mit dem Institut für Mediengestaltung an der Hochschule Mainz. „Damit kann man sich durch die Stadt bewegen und kann über Icons etwas über die Geschichte der Orte lernen. Das Tolle ist auch, dass wir die Texte im Digitalen immer erweitern können“, erklärt Dold. Um jüngere Generationen für die Erinnerungsarbeit zu begeistern, sei der digitale Raum enorm wichtig.

Wann die App für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird, steht noch nicht fest. Eine ähnliche Herangehensweise hat das Haus des Erinnerns aber bereits bei der Übersicht der Stolpersteine in Mainz. Auf einer Website sind alle Stolpersteine der Stadt aufgelistet, auf Instagram und Twitter veröffentlicht das Haus des Erinnerns dazu regelmäßig Hintergrundgeschichten von deportierten Mainzerinnen und Mainzern.

So erreichen die Geschichten auch Menschen, die in der Quarantäne sind und im Homeoffice arbeiten. Auch hier bleiben die Gesichter und Geschichten der Opfer des Nationalsozialismus lange im Gedächtnis: Das Internet vergisst bekanntlich nicht so schnell.

Verwendete Quellen:


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