Am 24. Januar 2023 begann die diesjährige Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages unter dem Thema „Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Opfer des Nationalsozialismus“.
Nach dem Ankommen in Berlin hatten die Teilnehmer*innen zunächst einmal Zeit sich untereinander kennenzulernen und einzelne Personen stellten sich vor. Unter anderem wurde auch das Jugendportal des Deutschen Bundestages durch die Redaktionsleiterin Julia Karnahl vorgestellt. Im Anschluss teilten sich die Teilnehmer*innen in Arbeitsgruppen auf. Schwerpunkt der Arbeit in den Kleingruppen war die Erarbeitung von Präsentationen zum Thema Gedenken auf sozialen Medien. Die Ergebnisse sollten schließlich am 27. Januar vorgestellt werden.
Danach gab es eine Einführung in das Lernen und Gedenken mit sozialen Medien zur Stärkung der Multiplikator*innenenfunktion mit Steffen Jost, Programmdirektor der Alfred Landecker Foundation. Höhepunkt des Tages war die Ausstellungseröffnung „16 Objekte. Eine Ausstellung zu 70 Jahren Yad Vashem“ durch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Ebenfalls anwesend war Dani Dayan, Vorsitzender von Yad Vashem, der erstmals in Deutschland war. Die 16 Objekte dieser Ausstellung stehen für die heutigen 16 Bundesländer; jedes dieser Objekte kommt aus einem Bundesland und hat seinen Weg nach Yad Vashem gefunden. Mit der Ausstellungseröffnung gelangten diese Objekte erstmals wieder nach Deutschland zurück, darunter eine Puppe, aber auch beispielsweise ein Klavier.
Nach der Ausstellungseröffnung gab es eine Führung durch das Reichstagsgebäude mit dem Themenschwerpunkt: „Das Reichstagsgebäude als Ort des Gedenkens“.
Am 25. Januar ging es gemeinsam zum Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“. Neben einer Führung zur Thematik „Topographie des Terrors, Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt“, erhielten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, an einem Workshop teilzunehmen, geleitet von einem Mitarbeiter der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. . In diesem ging es um „Verbotene Liebe Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus“, wobei man durch das Arbeiten mit Biografien noch besser in die Thematik eingeführt wurde. Anschließend gab es eine Führung und Besichtigung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen begleitet von Mitarbeitern der Stiftung Denkmal für die ermordeten JudenEuropas. Dieses Denkmal wurde von Michael Elmgreen und Ingar Dragset gestaltet und am 27. Mai 2008 der Öffentlichkeit übergeben. In einem Fenster erkennt man einen Film, der eine gleichgeschlechtliche Liebesszene zeigt. Der Film wird in Abständen immer wieder neu ersetzt, der diesjährige stammt von der israelischen Künstlerin Yale Bartana.
Nach der Besichtigung des Denkmals diskutierten die Teilnehmer*innen über den Stand der Forschung zur Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit mit Professor Dr. Michael Schwartz, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und Mitglied des Fachbeirates der Bundestiftung Magnus Hirschfeld sowie Dr. Daniel Baranowski, Referat Kultur, Geschichte und Erinnerung der Bundestiftung Magnus Hirschfeld.
Am Donnerstag fuhren die Teilnehmer*innen zur Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Dort erhielten sie eine Führung über das gesamte Gelände und zur Geschichte des Ortes. Zudem besichtigten die Teilnehmer*innen die Gedenkkugel für die inhaftierten lesbischen Frauen auf dem Gelände der Gedenkstätte. Dort erinnert man wie folgt: „In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“ Zudem gab es Workshops zu ausgewählten Biografien inhaftierter Frauen und Männer sowie zur Arbeit der Gedenkstätte bei der Erinnerungskultur an diese Opfergruppe.
Nachdem die Teilnehmer*innen wieder im Paul-Löbe-Haus eingetroffen waren, durften wenige Teilnehmer*innen noch eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung anlässlich der Gedenkstunde zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, besuchen.
Am 27. Januar wurden die Teilnehmer*innen auf die Gedenkstunde des Deutschen Bundestages vorbereitet, an der sie anschließend teilnehmen durften. Die diesjährige Gedenkstunde trug das Thema „Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Opfer des Nationalsozialismus“. Die Gedenkstunde wurde durch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eingeleitet und durch weitere emotionale Reden ergänzt. Im Zentrum der diesjährigen Gedenkstunde stand die Rede der Holocaust-Überlebenden Rozette Kats. Rozette Kats wurde 1942 in eine jüdische Familie geboren. Bevor ihre Eltern nach Auschwitz deportiert wurden, gaben sie ihr Kind an ein niederländisches Ehepaar, das Rozette aufnahm und als ihr eigenes Kind ausgab. Von diesem Tag an musste sich Rozette verstecken und ihre wahre Identität geheim halten. Jahrelang verwendete sie nicht ihren richtigen Namen und führte ein Doppelleben. 1992 wurde in Amsterdam eine Konferenz für während des Krieges versteckte jüdische Kinder ausgerichtet. Dort traf Kats das erste Mal Menschen, die Ähnliches erlebt hatten wie sie. Seitdem setzt sie sich auch für queere Rechte ein und sagt selbst „[…] es macht Menschen krank, wenn sie sich verstecken und verleugnen müssen“, was viele queere Menschen damals wie auch heute durchlaufen müssten/ müssen. Weiterer Hauptredner war Klaus Schirdewahn, der im Nachkriegsdeutschland als sogenannter „175er“ aufgrund seiner sexuellen Orientierung verurteilt worden war. Zwei Schauspieler*innen ergänzten die Gedenkstunde noch durch die Lesung die Biografien Mary Pünjers und Karl Goraths.
Nach der Gedenkstunde gab es noch eine Podiumsdiskussion mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Rozette Kats und Klaus Schirdewahn.
Die Jugendbegegnung schloss mit den Präsentationen zum Thema „Lernen und Gedenken mit sozialen Medien zur Stärkung der Multiplikator*innenenfunktion“ ab.
Sydney Schrenk, Schülerin des Gymnasiums Nackenheim und Mitarbeiterin im Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz durfte dieses Jahr an der Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages teilnehmen. Sie beschreibt die Jugendbegegnung als eine sehr gute Erfahrung und konnte viel mitnehmen. Durch die Jugendbegegnung gewann sie viel neues Wissen und konnte sich mit anderen Jugendlichen gut austauschen.