Die Nachkriegsgeschichte der deutschen Sinti* und Roma* ist geprägt von einem asymmetrischen Täter-Opfer-Verhältnis. Um sich selbst zu entlasten, betrieben die für den Völkermord Verantwortlichen aus Polizei und Rassenforschung eine gezielte Kriminalisierung der Überlebenden. Erst die Bürgerrechtsbewegung der Sinti* und Roma*, die sich Ende der 1970er-Jahre formierte, konnte das Täternarrativ sukzessive delegitimieren und eine eigene Perspektive öffentlich zur Geltung bringen.
Diese Nachkriegsgeschichte beleuchtete Dr. Frank Reuter, wissenschaftlicher Geschäftsführer der Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, in seinem Vortrag mit dem Titel „Der lange Weg zur Anerkennung. Deutsche Sinti und Roma nach Auschwitz“.
Vor allem die Ausgrenzung nach 1945 machte er an biografischen Beispielen deutlich. Diese Schilderungen zeigten, auf welch unterschiedliche Weise die Menschen ausgegrenzt wurden: Sei es bei Prozessaussagen gegen ehemalige Beamte der Kriminalpolizei, wobei Sinti* und Roma* Diffamierungen der Beamten ausgesetzt waren; oder aber in Dokumentenbeständen mancher Polizeidienststellen, in denen sich nationalsozialistischer Sprachgebrauch wiederfindet. Gerade dadurch, dass Dr. Frank Reuter selbst unzählige Gespräche mit Überlebenden Sinti* und Roma* führen konnte, gelang es ihm einen anschaulichen Einblick in die Ausgrenzungsmechanismen der Nachkriegszeit zu geben. Vor allem die zahlreichen persönlichen Dokumente und Bilder, die er in seinen Vortrag einband, hinterließen bei den Zuhörenden einen authentischen und bewegenden Eindruck.
Im Nachgang an den eindrucksvollen Vortrag ergab sich eine spannende Diskussion, in der unter anderem auch darüber gesprochen wurde, inwiefern jede*r selbst in der Eigenreflexion gewisse bestehende Stereotype abbauen kann.